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Lange Zeit galt im Handel eine einfache Gleichung: Je mehr Kanäle, desto besser. Wer seinen Online-Shop, die App, den stationären Handel und Social Media miteinander verbindet, gilt als „Omnichannel-ready“. Das Ziel war klar: den Kunden überall zu erreichen und über alle Kanäle hinweg ein konsistentes Erlebnis zu bieten.
Doch 2025 stellt sich eine neue Frage: Nicht „Wie viele Kanäle decke ich ab?“, sondern „Wie smart orchestriere ich sie mit AI?“
Omnichannel: Das Fundament
Omnichannel hat den Handel revolutioniert. Es geht darum, dass Kunden nahtlos zwischen Kanälen wechseln können – online bestellen und in der Filiale abholen, im Store stöbern und später online zuschlagen. Das Ordermanagement-System sorgt dafür, dass Bestellungen dort erfüllt werden, wo es die Regeln vorsehen.
Der Haken: Diese Regeln sind oft statisch. Ein Produkt wird aus Lager A verschickt, obwohl Lager B schneller liefern könnte. Ein Kunde bekommt ein Angebot, das nicht zur aktuellen Nachfrage passt. Die Kanäle sind verbunden, aber nicht intelligent orchestriert.
AI-first Commerce: Das nächste Level
AI-first Commerce bedeutet: Künstliche Intelligenz bildet das Herzstück jeder Kanalentscheidung. Nicht als Add-on, sondern integraler Teil.
- Proaktiv statt reaktiv: AI erkennt Nachfrage-Peaks, Lagerengpässe oder Retourenrisiken in Echtzeit – und steuert Prozesse dynamisch.
- Hyperpersonalisierung: Empfehlungen, Angebote, Preise, Service level – alles wird kontextsensitiv angepasst.
- Adaptive Prozesse: Lager, Routing, Personal werden laufend optimiert, nicht starr nach Regeln, sondern auf Basis aktueller Signale.
- Omni-POS & Omni-Touchpoints: Stationäre Geschäfte nutzen AI, um Online-ähnliche Komfortfunktionen zu bieten – z. B. Produktinfos auf dem Smartphone, Chat-Assistenz direkt in der Kabine, Verfügbarkeitsanzeige vor Ort.
Ein Beispiel aus der Praxis
Omnichannel klassisch: Kunde bestellt online, System leitet die Order automatisch an die nächstgelegene Filiale.
AI-first Commerce: Das System erkennt: Filiale A ist zwar näher, aber fast leer. Filiale B hat Überbestand und kann schneller liefern. Gleichzeitig schlägt AI dem Kunden eine spätere Abholung mit Incentive vor („5 % Rabatt bei Abholung am Abend“). Ergebnis: Effizientere Bestandssteuerung und zufriedener Kunde.
REMIRA: AI als Steuerung für Supply Chain & Bestandsmanagement
REMIRA zeigt, wie AI im Hintergrund Kanäle smarter verbindet:
- KI-basierte Nachfrageprognosen und Replenishment-Vorschläge sorgen dafür, dass Bestände über Lager und Kanäle hinweg optimal verteilt sind.
- Automatische Auswahl von Prognosemodellen – je nach Produkt, Saison oder Region – erhöht die Genauigkeit und reduziert Überbestände oder Fehlmengen.
- Routing-Entscheidungen im OMS – nicht bloß nach Nähe oder Standardregel –, sondern nach Verfügbarkeit, Kosten und Lieferzeit.
So wird schon heute sichtbar, wie Händler mit AI nicht mehr nur Kanäle bedienen, sondern sie intelligent orchestrieren.
Bütema / GALERIA „Verena“: AI-Assistenz direkt am POS
Ein exzellentes Beispiel dafür, wie AI-first Commerce im stationären Handel funktioniert – nicht abstrakt, sondern direkt im Laden:
- In der GALERIA-Filiale wurde „Verena“ eingeführt – ein digitaler Assistent, den Kundinnen via QR-Code in der Umkleidekabine erreichen können.
- Verena gibt sofort Auskunft über Produktinfos wie Preis, verfügbare Größen und Farben, schlägt passende Artikel vor und zeigt Alternativen – ohne dass man sofort Personal benötigt.
- Wenn doch Hilfe nötig ist, kann über die Chatfunktion ein Mitarbeiter gerufen werden. Dieser erhält die Anfrage über die App „Karl“ mit allen relevanten Infos und kann effizient reagieren.
- Die Lösung ist sprachlich flexibel (mehrere Sprachen dank ChatGPT) und nutzt QR-Codes für einen besonders einfachen Einstieg.
Damit kombiniert „Verena“ Komfort, Zugriff auf Echtzeitdaten (Bestand, Varianten) und Entlastung für Personal – und macht deutlich: AI-First Omnichannel ist auch POS-Erlebnis.
aiio GmbH: Prozess-KI für mehr Orchestrierungskraft im Hintergrund
Ein weiteres Beispiel aus Deutschland, das zeigt, wie AI-First nicht nur Kundenerlebnis betrifft, sondern ganze Organisationsprozesse verändert:
- Die Plattform aiio unterstützt Unternehmen darin, ihre internen Abläufe transparent abzubilden und zu analysieren – Prozesse werden nicht nur dokumentiert, sondern laufend optimiert. :
- Der „AI-Experte“ von aiio erzeugt Verbesserungsvorschläge: Wo sind Engpässe, ineffiziente Schritte oder redundante Abläufe? Dadurch können Ressourcen entlang der gesamten Prozesskette eingespart werden.
- Import und Aggregation von Ablaufdaten aus unterschiedlichen Quellen (z. B. PDFs, Fremdsysteme) erlauben schnelle Modellierung und Anpassung – notwendige Datenbasis für dynamisches Omnichannel Routing.
- Die Sprach-Funktion („Speech2aiio“) ermöglicht schnelle Nachfragen über Prozesse – etwa: „Welcher Schritt muss vor Versand einer Bestellung noch erledigt werden?“. Damit sinkt die Reaktionszeit bei unvorhergesehenen Störungen.
Mit aiio wird deutlich: Intelligente Orchestrierung beginnt nicht erst beim Kundenkontakt, sondern tief in den internen Abläufen – und das wirkt sich direkt auf Effizienz, Flexibilität und Kundenzufriedenheit aus.
Warum die Intelligenz entscheidet
Die alte Frage: „Wie viele Kanäle kann ich anbinden?“
Die neue: „Wie orchestriere ich diese Kanäle so intelligent, dass sie sich gegenseitig verstärken?“
AI ermöglicht ein Ökosystem, in dem jeder Kanal – online wie offline – nicht nur Daten liefert, sondern Entscheidungen mitgestaltet. Händler gewinnen Flexibilität, Effizienz und bessere Kundenerlebnisse.
Fazit
- Omnichannel bleibt die Basis – Verknüpfung aller Kanäle ist unerlässlich.
- AI-first Commerce hebt diese Basis auf ein neues Level: Echtzeit, Kontextwissen, individuelle Service-Erlebnisse.
- Beispiele wie REMIRA, das Bütema / GALERIA-Projekt und aiio zeigen: Die Vision ist bereits da – es geht darum, sie strategisch und konsequent umzusetzen.
Die entscheidende Frage heute lautet: „Wie smart orchestriere ich meine Kanäle mit AI?“